Die Krise des Kinos ist eng verbunden mit dem boomenden Digitalmarkt. Streaming-Dienste passen sich dem – nicht erst seit der Pandemie – veränderten Konsumverhalten ihrer Zielgruppe an und bieten Entertainment rund um die Uhr. Den zeit- und kostenaufwendigen Weg bis zum nächsten Lichtspielhaus kann man sich sparen, denn das heimische Sitzmöbel ist nicht selten die bequemere Variante.
Bequemer wird das Business auch für manch engagierten Filmemacher, der seine Arbeit von einem Streaming-Anbieter statt von mehreren (staatlichen) Instanzen finanziert sieht. Der Deutsche Peter Thorwarth („Bang Boom Bang„) hat sein jüngstes Werk von Netflix produzieren lassen. Entstanden ist mit „Blood Red Sky“ eine Mixtur aus Horror, Action und Ein-Raum-Drama.
Darum geht es in „Blood Red Sky“
Während eines Transatlantikfluges gerät eine Passagiermaschine in die Hände gewaltbereiter Terroristen. Unter den Geiseln befinden sind unter anderem eine Mutter und ihr minderjähriger Sohn (Peri Baumeister, Carl Koch). Allem Anschein zum Trotz handelt es sich bei der alleinerziehenden Nadja nicht um eine gewöhnliche Frau.
Sie ist eine Vampirin, die ihre Veranlagung mithilfe eines Medikaments stetig unterdrückt. Infolge der besonderen Notlage sieht sich Nadja jedoch veranlasst, ihrem Naturell freien Lauf zu lassen, was eine (blutige) Auseinandersetzung mit den Kidnappern zur Folge hat.
Kritik zu „Blood Red Sky“
Die zweistündige Produktion verknüpft das Allein-gegen-alle-Motiv mit den Vorgaben einer Ein-Raum-Story. Das eingeschränkte Handlungsfeld verdichtet die Ereignisse auf wenige Quadratmeter, die naturgemäß kein Ausweichen dulden. Der schlauchartige Innenraum des Flugzeugs gerät zum Durchlauferhitzer für Freund und Feind, zum Konfrontationsraum für Gut und Böse. Dabei nutzt der auch am Drehbuch beteiligte Peter Thorwarth einen Twist in Sachen Identifikationsbildung.
Die im Allgemeinen als Negativcharakter konnotierte Figur des (weiblichen) Vampirs, wird unversehens zur Sympathieträgerin wie Alleinverfechterin in Sachen Gerechtigkeit. Sich im entscheidenden Moment auf die Seite der Unterdrückten schlagend, durchkreuzt die Protagonistin aufgrund ihrer übernatürlichen Kräfte das Vorhaben der Terroristen. Das erinnert in seiner scheinbaren Ausweglosigkeit an Genreklassiker wie „Stirb langsam„, „Air Force One“ oder „Flight Plan“. Auch letztgenannte Beispiele sind in einem Flugzeug angesiedelt, besitzen aber eine andere psychologische Gewichtung.
Während Harrison Ford ohne vampiristische Attitüde um sein Leben (und das seiner Familie) kämpft, spielt „Flight Plan„ mit der Wahrnehmungsfähigkeit seiner Hauptdarstellerin Jodie Foster, der (angeblich) ihr Kind abhanden gekommen ist. Davon kann in „Blood Red Sky“ nicht die Rede sein. Nadjas Sohn Elias ist allgegenwärtig, wie es generell kaum Unklarheiten über Persönlichkeiten und ihre Motivationsstrukturen gibt. Was Peter Thorwarths B-Movie eher zum Nachteil gereicht.
Wer über einigermaßen Seherfahrung verfügt, ahnt schnell, wer auf welcher Seite steht. Und wer nicht. Zudem braucht Thorwarth zu lange, um seine Prämisse zum Laufen zu bringen. So vergeht fast eine Stunde, bis Nadja zum ersten Mal ihre „Bissigkeit„ unter Beweis stellen darf. Ab dann geht´s allerdings bergauf in Sachen Spannung und (Kunst-)Bluteinsatz. Und in Sachen schauspielerischer Feinjustierung.
Nach ihrer Transformation erwächst Peri Baumeister in ihrer Rolle als Wiedergängerin zur Last-Woman-Standing, zur todbringenden, beinah animalischen Über-Mutter, die ihre Brut mit allen Mitteln zu verteidigen sucht. Was die Frage aufwirft, wie viel Monströsität das Mutterdasein erfordert. Muss nicht jede Mutter im entscheidenden Moment auch Monster sein, um ihre Nachkommenschaft zu sichern? Und: Ist das Eine zwingend vom Anderen zu trennen?
Fazit zu „Blood Red Sky“
„Blood Red Sky“ ist entgegen seiner Verpackung kein reines Genreprodukt, da es ähnlich wie „World War Z“ Versatzstücke der Segmente Thriller, Action, Horror und Familiendrama nutzt. Mit dem Brad-Pitt-Vehikel kann die Netflix-Produktion allein aufgrund der geringeren Budgetierung nicht mithalten, bietet aber innerhalb ihrer Grenzen durchaus gefällige Unterhaltung. Das liegt vor allem an der Hauptakteurin, die ab der Hälfte des Films groß aufspielt.
Mit ihr an Bord sind mehr oder weniger bekannte Gesichter, die man ansonsten eher von anderen „Passagierlisten“ kennt. So gibt es unter anderem ein Wiedersehen mit „Prison Break“-Darsteller Dominic Purcell. Ihm zur Seite steht der hochdekorierte deutsche Theatermime Alexander Scheer, der ebenso lautmalerisch wie lustvoll auf der Bad-Boy-Klaviatur spielt.